Über zehn Jahre ST-Electro (2007 – 2019)

Was auf den ersten Blick einfach und unkompliziert erscheint, erweist sich in der Praxis oft als eine Häufung von Problemen und technischen Schwierigkeiten. Nicht anders verhielt es sich mit der Entwicklung unserer elektrischen Antriebssysteme für Gleitschirm und Delta. Heute bauen wir Geräte, die auf Knopfdruck einfach funktionieren. Man muss nicht mehr ein versierter Techniker sein, um sich sorglos und still in die Luft erheben zu können – was die Technik angeht, braucht es auch keinen Mut mehr. In den Anfangstagen war es anders; fast jeder Testflug endete mit einem Problem, und die Lösung brachte meistens wieder neue Probleme. Verbogenen Wellen und beschädigten Aufhängungen und gebrochene Schrauben waren keine Seltenheit. Und ich kann mich noch sehr gut an den Geruch von verkohlten Kabeln und verbrannter Elektronik erinnern – und natürlich an das etwas mulmige Gefühl vor den Testflügen…

Dieser Rückblick soll auch ein Dank an alle sein, die seit Beginn an diese Idee geglaubt haben. Trotz aller Widrigkeiten war Aufgeben für uns nie eine reale Option. Heute bauen wir als Schweizer Firma elektrische Fluggeräte von höchster Qualität, die robust, sicher, technisch auf dem höchsten Stand und einfach im Handling sind – getreu dem Motto: switch on and fly.

Ales Hubacek, Skyjam Aircraft

2007 – die ersten heissen Prototypen

Die Geschichte des heutigen ST-Electro begann irgendwann gegen Ende 2006 mit einer Vision von einem einfachen und geräuscharmen Fluggerät. Die Idee war, in unsere neuen Titanrahmen neben den bekannten Benzinern, auch Elektromotoren einzubauen. Es lag auf den ersten Blick nahe, bekannte Systeme aus Industrie und Modellbau zu verwenden. So entstanden 2007 Konzepte, welche sich im wahrsten Sinne des Wortes – während der heissen Testphase – als ungeeignet für den Alltagsgebrauch erwiesen. Solche Systeme taugen vielleicht für den persönlichen Hobbybereich, für eine breitere Masse von Piloten, welche ihrem Hobby und ihrer Leidenschaft nachgehen wollen, sind sie schlicht zu empfindlich, gefährlich und absolut unbrauchbar.

Unser E-System sollte aber etwas à la Simonini oder Vittorazi sein – einfach, bewährt, robust und vor allem alltagstauglich. Nach viel Arbeit und einem Haufen abgefackeltem Geld, sah es Ende 2007 nach dem Ende des Skyjam E-Motors aus.

2008 – der Weg zum ersten Seriengerät

Die Wende kam 2008 an der Freeflight in Garmisch, wo wir einen Stand mit unseren Titanmotoren hatten. Eine bis heute unbekannte Person hat mir einen zerknüllten Flyer mit einem Kurzbeschrieb und den Leistungsangaben des HPD Motors von Geiger/Egg mit der Bemerkung in die Hand gedrückt, wir wären die Richtigen für dieses System… was auch immer das heissen sollte.

Mir war aber sofort klar, sollten die Angaben auf dem Papier nur einigermassen korrekt sein, dass dies der richtige Motor für unser Vorhaben sein würde. So entstand noch im gleichen Jahr der erste richtige ST-Electro. Zwar noch viele Tests und Probleme von einer sicheren Serienreife entfernt aber mit gutem Gewissen auch durch Dritte fliegbar. Diese Tatschache ermöglichte viele Testreihen parallel durchzuführen und das Gesamtsystem in relativ kurzer Zeit marktreif zu machen. Das Modell B war geboren. Unser erster voll funktionsfähiger E-Antrieb. Die gleichzeitig angelaufene konstruktive Zusammenarbeit mit der zuständigen Stelle in Deutschland, brachte bereits 2009 die Deutsche Musterprüfung des ST-Electro mit und ohne ST-Freestyle Trike. Dieses Trike hatten wir eigens für die Kombination mit E-Antrieb entwickelt.

Schon im ersten Jahr nach der Musterprüfung wurden zehn Geräte von Piloten gekauft, welche sich nicht von den damals allgemein vorherrschenden Vorurteilen bezüglich Sicherheit, Zuverlässigkeit und Leistung abhalten liessen. Sehr positiv ist, dass bis auf zwei Geräte, die aus gesundheitlichen Gründen an uns unbekannte Personen weiterverkauft wurden, alle Systeme bis heute noch im Einsatz sind.

2010 – Thermik-Einstiegshilfe ST-Electro’R

Der ST-Electro wurde von Anfang an als Hybridkonzept, sowohl als Thermik-Einstiegshilfe aber auch als klassischer Paramotor für den Flug unter Schub geplant und realisiert. Anfang 2010 begann die Arbeit am Modell R – R stand für RADICAL.

Es sollte ein System werden, das in erster Linie zum Einstieg in die Thermik und einem anschliessenden motorlosen Flug dienen sollte. Die Geometrie des Systems wurde dahingehend geändert, dass der Pilot in einer mehr liegenden Position flog und der Akku sehr nahe an der Schubachse des Motors angebracht war. Diese konstruktiven Anpassungen konzentrierten die Masse des Antriebs beim Piloten, womit ein freiflugähnliches Flugverhalten erreicht wurde. Wir entwarfen einen einfachen Käfig ohne Netz mit einem profilierten Aussenring, liessen die untere Abstützung des Hauptrahmens weg und bauten für diesen Motor einen aufwendigen Dreiblatt-Faltpropeller. Alle diese Massnahmen hatten nur einen Grund; sie sollten den Luftwiderstand verringern und falls möglich Gewicht sparen. Der Prototyp hatte, mit einem eigens dafür entwickelten Airbaggurtzeug mit Notschirmcontainer unter dem Sitzbrett, seinen Erstflug im Herbst desselben Jahres. Die Dynamik dieses damals einzigartigen Konzepts war mit und ohne Schub berauschend und stiess auf grosse Begeisterung bei allen Testpiloten. Zwei Jahre lang wurden viele Tests mit unterschiedlichen Piloten und unter verschiedenen Bedingungen durchgeführt. Es wurde schnell klar, dass das Modell R vor allem wegen der Konzentration der Masse im Bereich der Schubachse in erfahrene Pilotenhände gehörte. Bei vollem Drehmoment und turbulenten Bedingungen war der Start dynamisch und erforderte eine aktive Mitarbeit des Piloten. Hier stiess sich dieses super Gerät mit unserer generellen Idee, Motoren zu bauen, welche nicht ganze Pilotengruppen ausschliessen und auch in weniger guten Bedingungen die nötige passive Sicherheit bieten sollten.

Der gekürzte Rahmen sah zwar im Flug cool aus aber dadurch, dass der Motor am Boden nicht stand, liess er sich relativ schlecht auf den Rücken nehmen. Bedeutend schwerwiegender war aber die Tatsache, dass im Falle eines sehr harten Aufsetzens, der Rahmen den Piloten deutlich schlechter schützte. Dieses Problem konnte auch der Airbag im neuen Gurtzeug nur bedingt kompensieren. Beim Faltpropeller überwogen die Nachteile vom höheren Gewicht und der aufwendigen Herstellung, gegenüber dem geringfügig verringerten Luftwiderstand im motorlosen Flug und natürlich der schönen Optik.

Aufgrund unsere Sicherheitsbedenken und der eingeschränkten Alltagstauglichkeit, entschlossen wir uns trotz konkreter Nachfrage, das Projekt R per Ende 2012 widerstrebend einzustellen. Der letzte Prototyp wurde noch im selben Jahr definitiv demontiert.

Wir konnten mit diesem Modell aber sehr wichtige Informationen und Erfahrungen sammeln und viele Neuerungen leben in den heutigen Systemen weiter. Das Modell R brachte als erfolgreiche Konzeptstudie den Motoren von heute den einfachen Ring, welcher nur geringfügig angepasst wurde, das Airbaggurtzeug mit zwei Notschirmcontainern unter dem Kohlefasersitz und eine optimierte Position der Batterie, die zwischen der konservativen der ersten ST-Electro Modelle und der radikalen des Modells R liegt. So sind die Geräte von heute dynamisch im Flug aber haben das nötige Mass an passiver Sicherheit.

Die beim Modell R eingeführte Gummi gelagerte Kohlefaserscheibe zur Befestigung des Motors bringt eine deutlich verbesserte Kühlung und verminderte Vibrationen des Gesamtsystems und bildet einen wichtigen Bestandteil aller Motoren bis zum heutigen Tag.

Etwas freut uns besonders; 2013 bekamen wir den Auftrag, eine steuerbare Gondel mit E-Antrieb für ein Heliumbalon-Projekt zu bauen.  Dieses neuartige Fluggerät dient zur Urwaldbeobachtung in Laos. Die Komponenten des letzten Modells R wurden mit einer Steuerflosse inklusive Mechanik versehen und leben nun in einem anderen sehr innovativen Projekt weiter.

2011 – ST-Freestyle Trike für Delta geht in Serie

Auf mehrfachen Pilotenwunsch hin haben wir per Ende 2009 mit der Entwicklung eines E-Trikes für Delta begonnen. Dieses Trike wurde auf der Basis der Gleitschirmversion modular entworfen. Schon die ersten Prototypen entsprachen vollends den gesetzten Vorgaben. Anfang 2011 konnte nach vielen Tests mit der Serienproduktion begonnen werden.

Wie schon bei der Gleitschirmversion wird der komplette ST-Electro-Paramotor als Antrieb für dieses Trike verwendet. Der Umbau ist sehr einfach und kann in wenigen Minuten erfolgen.

2013 – neues Batterie-Management-Systemenen / Ende des 24AH Akkus

Als 2014 die 2013 begonnene Testphase mit den neuen Batterie-Management-Systemenen abgeschlossen war, wurde es möglich, grössere und stärkere Akkus mit geringerem Gewicht sicher zu betreiben. Im gleichen Jahr haben wir die Produktion unseres bewährten Modells B mit 24AH Akku eingestellt und angefangen alle zukünftigen Motoren mit 40AH Akkus und später mit 50AH Akkus auszurüsten. Neben einer deutlich längeren Flugzeit und der Möglichkeit, dass auch Piloten bis 100kg elektrisch und auf Wunsch auch mit Trike fliegen konnten, wurden die Geräte noch stabiler, mit deutlich besserer Energieeffizienz und vor allem sicherer.

Die Akkubox wurde grundlegend überarbeitet und lässt sich seit diesem Modell samt Akku in kurzer Zeit tauschen. Nun können Piloten auch mehrere Akkus für den gleichen Motor haben und müssen keine aufwendigen Arbeiten beim Akkutausch in Kauf nehem.

Das Gewicht blieb bei gleichzeitiger Verdoppellung der Kapazität fast gleich dem Urmodell. Und ganz wichtig – die Motoren können ab diesem Zeitpunkt legal mit dem Flugzeug transportiert werden.

Der Einsatz von neuen Drehzahstellern bis 300A mit deutlich verbesserter Elektronik im 2015 rundet diesen wichtigen  Entwicklungsschritt ab.

2017 – der ST-Electro bekommt einen kleineren Bruder, der Lizard geht in Produktion

Erst die 2014 definitiv eingeführte bessere elektronische Verwaltung und Steuerung des Gesamtsystems machte es sicherheitstechnisch sinnvoll, an die Verwendung kleinerer Akkus zu denken. Heute können wir mit kleineren Akkus länger und sicherer zu fliegen. Erst diese Entwicklung machte es nach vielen Tests möglich, neben dem grossen ST-Electro für schwere Piloten auch den kleineren und leichteren ST-Electro Lizard nach einer zweijährigen Entwicklungsphase auf den Markt zu bringen. Der Rahmen des Lizard wurde in vielen Punkten verfeinert und beim Gewicht deutlich optimiert. Und hier schliesst sich wieder der Kreis zu dem System vor fast zehn Jahren, welches standardmässig mit einem 24AH Akku ausgerüstet war. Der Lizard ist jedoch um fast 10kg leichter, im Vergeich zu den Systemen von damals. Er ist durch seine dynamischen Flugeigenschaften gleichermassen der ideale Begleiter für Thermikpiloten, als auch für Genussflieger in ruhigen Bedingungen.

2019 – der ST-Electro bekommt zwei einzelne 24AH Akkus – eine deutliche Leistungssteigerung

Seit Februar 2019 bauen wir den grossen ST-Electro 50AH in einem neuen Update. Im Gegensatz zur Vorgängerversion werden statt eines grossen Akkus mit nur einem BMS zwei 25AH Akkus mit je einem eigenen BMS verwendet. Durch diese neue Konfiguration ist noch eine bessere Abstimmung und Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Kapazität möglich. Ausserdem konnte die Leistungsumsetzung mit dieser neuen Konfiguration um zwei Kilowatt (ca. 15%) erhöht werden. Die überarbeitete Kühlung ist ein Teil dieses neuen Gesamtkonzepts. Diese Verbesserungen haben die Möglichkeit eröffnet, den bewährten Dreiblatt-Propeller neu zu berechnen. Das Resultat bringt über 10% mehr Schub.

Für die Anwendung als Trikeantrieb besteht jetzt auch die Option zwei 50AH Akkus mit der gleichen Konfiguration zu verwenden.

Die heutigen Geräte verwenden immer noch den gleichen Flugmotor, den gleichen Hauptrahmen aus Titan, arbeiten mit dem gleichen Drehzahlbereich und mit der selben Spannung – aber sie sind sicherer, stabiler und effizienter als jemals zuvor und noch eine grössere Breite von Piloten kann sie nutzen. Die ST-Elektro Motoren verbinden über zehn Jahre Erprobung und Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung elektrisch angetriebenen Fluggeräten kombiniert mit modernster Technik. Bei allen Updates achten wir strengstens darauf, dass sie mit den älteren Modellen kompatibel sind.